Der weltgrößte Ladepark

Leuchtturmprojekt Bahnhof Merklingen: E-Mobility-Netzwerk setzt Maßstäbe mit integrativer Ladelösung

Der weltgrößte Ladepark steht jetzt auf der Schwäbischen Alb: Im Oktober 2023 sind 259 überdachte Ladepunkte für Elektroautos auf dem Park-and-Ride-Platz des ICE-Bahnhofs Merklingen in Betrieb gegangen. Das Projekt im Alb-Donau-Kreis ist auf mehreren Ebenen rekordverdächtig. Nicht nur die Größe, auch die kurze Bauzeit und enge Zusammenarbeit der Projektpartner suchen ihresgleichen. Erstmals wurde eine eichrechtskonforme Lade- und Abrechnungslösung umgesetzt, die auch den Anforderungen der kommenden Ladesäulenverordnung entspricht.   

Gerade einmal 20 Monate lagen zwischen Planungsbeginn und Inbetriebnahme. Dabei gab es nicht nur bürokratische und bautechnische Herausforderungen zu meistern, sondern auch die Energieverteilung zu planen und das Lademanagement aufzusetzen. Soll mit Wechsel- oder Gleichstrom getankt werden, oder beidem? Ist bidirektionales Laden gewünscht, braucht es Plug-and-Charge-Technologie und wie wird sowohl Ad-hoc-Laden als auch Lade-Roaming ermöglicht? Wie kann eine Photovoltaikanlage zur nachhaltigen Stromgewinnung eingebunden werden, wohin mit den Trafostationen, welches Messkonzept wird angesetzt? Drängende Fragen, die es zu beantworten galt.

Die Planer entwickelten ein zukunftsweisendes Gesamtkonzept: Ein Solarcarport erzeugt rund 990.000 Kilowattstunden Strom pro Jahr für die 259 Ladepunkte und speist den Überschuss in das Netz ein. Eingeplant ist bereits das Nachrüsten der restlichen 171 regulären Parkplätze am Bahnhof mit Ladepunkten und die Einbindung eines Batteriespeichers, sobald die Nachfrage steigt. Zudem ist der Zweckverband Region Schwäbische Alb in Gesprächen mit Anbietern, um mietbare E-Autos und E-Bikes am Ladepark zur Verfügung zu stellen – ein besonders interessantes Angebot für Urlauber oder Pendler aus der Region, die in Merklingen in den ICE nach Ulm oder Stuttgart steigen.  

Hohe Fachexpertise des Partnernetzwerks unerlässlich

Ziel war es, mit hohem Nutzerkomfort am Ladepark die Mobilitätswende in der Region voranzutreiben. Alle Systeme sollten ineinandergreifen, um Einfahrt, Parken, Laden und auch eine 24/7-Verpflegung am Bahnhof nahtlos und in der Bedienung so einfach wie möglich zu gestalten.

Insgesamt 12 Firmen waren beim Aufbau des Ladeparks involviert, welche durch das Planungsbüro Bohnacker aus dem schwäbischen Schmiechen koordiniert wurden. Verantwortlich für die Installation der Ladeinfrastruktur, die Netzwerktechnik sowie die intelligente Beleuchtung der Anlage zeichnete das Geislinger Albwerk. Das regionale Energieunternehmen wird als Charge Point Operators künftig zudem die Abrechnung der Ladevorgänge sowie die Wartung der Anlage übernehmen. Die ebenfalls in der Schwäbischen Alb ansässige Reif GmbH stellte Sicherheitstechnik, das gesamte Parkraummanagementsystem nebst Schrankenanlagen und die Softwareintegrationen. Das Baden-Württembergische Familienunternehmen Stüwer brachte moderne Versorgungsautomaten mit integriertem Bezahlsystem ein. Die Wallboxen lieferte die Firma Mennekes aus dem Sauerland, Hectronic die dazu passenden Bezahlautomaten aus dem Schwarzwald. Als Lade-Backendplattform kam die Systemlösung der Firma SmartLab zum Einsatz. Das Payment und die Transaktionsabwicklung an den verschiedenen Bezahlpunkten aller Systeme verantwortete der Zahlungsspezialist der Volksbanken Raiffeisenbanken, VR Payment.

Herausforderung Eichrechtskonformität und girocard Zahlung

Für das Lade-Setup war die Expertise der jeweiligen Partner unerlässlich. Denn auch hier setzten die Betreiber auf ein zukunftsfähiges und nutzerfreundliches Konzept, das nicht nur den aktuellen, sondern auch den kommenden regulatorischen Anforderungen Rechnung trägt. Eine eichrechtskonforme Messung und Abrechnung des verbrauchten elektrischen Stroms war deshalb Pflicht: Jeder Ladevorgang wird exakt in Kilowattstunden ausgewiesen – für maximale Transparenz gegenüber den Verbrauchern. Diese können ihre Ladung bequem und völlig eigenständig über zentrale Payment-Terminals autorisieren. Alle Ladesäulen und Bezahlterminals sind über Glasfaser-Kabel miteinander vernetzt, sodass ein schneller und ständiger Datenaustausch sichergestellt ist. Über diese Netzwerkstruktur sind auch alle Ladepunkte mit dem Internet verbunden, was neben Steuerung und Wartung auch das Payment vereinfacht.

Bezahlt werden kann in Merklingen nicht nur mit den gängigen Roaming-Karten oder Apps, bei denen Nutzer individuelle Stromladetarife mit E-Mobilitätsanbietern abschließen. Auch andere Zahlungsmittel, die Verbraucher aus dem Handel gewohnt sind, werden angeboten, allen voran die girocard, Debit- und Kreditkarten oder digitale Optionen wie Apple Pay und Google Wallet. Diese sogenannten offenen Bezahlsysteme sind weit verbreitet und entsprechend einfach in der Handhabung, ohne Registrierung oder zusätzliche Anwendungen nutzbar. Nach aktueller Gesetzgebung ist ihre Integration jedoch noch nicht verpflichtend – erst ab Sommer 2024 müssen alle neuen öffentlichen Ladesäulen die Kartenzahlung abbilden. In Merklingen wird im Sinne der Verbraucher vorgegriffen.

Ermöglicht wird das umfangreiche Bezahlangebot durch Hectronic. Das mittelständische Unternehmen verfügt über langjährige Erfahrung im Outdoor-Payment und kann auf zahlreiche gemeinsam mit VR Payment realisierte Projekte zurückblicken. Das gewonnene Know-how und die geteilte Projekterfahrung aus den Bereichen Parkraum- und Tankstellen-Management werden nun auf die Elektromobilität übertragen. Das Hectronic-Terminal HecPay bietet neben einem diskriminierungsfreien Bezahlsystem eine flexible Integration in bestehende Ladeinfrastrukturen sowie eine hohe Kompatibilität mit Ladesäulen. Offene Schnittstellen ermöglichen zudem eine einfache Anbindung an Backend-Systeme – wie beispielsweise das in Merklingen eingesetzte Backend-System von Smartlab. Die problemlose Anbindung war auch hier sichergestellt, denn Hectronic und Smartlab pflegen ebenfalls seit vielen Jahren eine enge technische Kooperation. 

E-Mobility-Netzwerk als Erfolgsgarant

Das Zusammenspiel zwischen eichrechtskonformer Abrechnung, Bezahlen mit Roaming-Optionen sowie Kartenzahlung inklusive der dabei notwendigen Vorab-Verifizierung mit PIN-Pad, stellte die Experten vor enorme Herausforderungen. Sie mussten diverse Hardware-Komponenten sowie Software unterschiedlicher Hersteller integrieren und Kompatibilität herstellen. Eine Aufgabe, die in der Kürze der Zeit nur durch weitreichende Erfahrung in der Materie und enger Zusammenarbeit zu bewältigen war.

Der Projekterfolg spricht für sich. Bei der feierlichen Eröffnung lobte die Baden-Württembergische Verkehrsstaatssekretärin Elke Zimmer die regionale Umsetzung der Umwelt- und Verkehrsziele der Landesregierung. „Auch wenn Projekte am Anfang utopisch oder unrealistisch erscheinen, kann man sie umsetzen, wenn alle an einem Strang ziehen und wenn man es wagt, unkonventionell zu denken. Der Ladepark und der ganze Bahnhof sind ein gutes Beispiel hierfür“, so Zimmer.[1] Die Resonanz in der Bevölkerung ist ebenso positiv. Akzeptanz und Auslastung wachsen. So ist der Ladepark ein echtes Leuchtturmprojekt für die Region und die Mobilitätswende in Deutschland.  

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[1] Schwäbische Zeitung, 01.11.2023